Baric-Algebra

Als Baric-Algebra bezeichnet man eine lineare Algebra mit einer nichttrivialen Gewichtsfunktion (englisch baric, von griechisch βάρος báros, deutsch ‚schwer, gewichtig‘). Baric-Algebren sind eine Verallgemeinerung der in der theoretischen Biologie betrachteten genetischen Algebren.

Definition

Eine (nicht notwendigerweise assoziative) Algebra A {\displaystyle A} über einem Körper K {\displaystyle K} heißt Baric-Algebra, wenn es einen nichttrivialen Algebrenhomomorphismus w : A K {\displaystyle w\colon A\longrightarrow K} gibt. w {\displaystyle w} wird Gewichtsfunktion genannt, w ( x ) {\displaystyle w(x)} heißt Gewicht von x A {\displaystyle x\in A} .

Der Begriff der Baric-Algebra wurde 1939 von I.M.H. Etherington bei der Untersuchung genetischer Algebren eingeführt. Aus darstellungstheoretischer Sicht ist eine Baric-Algebra eine Algebra mit einer nichttrivialen Darstellung über ihrem Skalarkörper. Nicht-assoziative Algebren haben im Allgemeinen gar keine Matrix-Darstellung, deren einfachste Form eine Darstellung über dem Skalarkörper ist.

Charakterisierungen

  • Eine nicht-assoziative k {\displaystyle k} -Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann eine Baric-Algebra, wenn es so ein Ideal I A {\displaystyle I\subset A} gibt, so dass A / I k {\displaystyle A/I\cong k}
  • Eine nicht-assoziative n {\displaystyle n} -dimensionale R {\displaystyle \mathbb {R} } -Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann eine Baric-Algebra, wenn sie eine genetische Basis besitzt, das heißt, zwischen den Basiselementen u 1 , u 2 , , u k {\displaystyle u_{1},u_{2},\dots ,u_{k}} besteht eine Beziehung u i u j = k = 1 n γ i j k u k {\displaystyle u_{i}\cdot u_{j}=\sum _{k=1}^{n}\gamma _{ijk}u_{k}} mit Koeffizienten γ i j k R {\displaystyle \gamma _{ijk}\in \mathbb {R} } , für welche gilt: k = 1 n γ i j k = 1 , γ i j k 0 {\displaystyle \sum _{k=1}^{n}\gamma _{ijk}=1,\;\gamma _{ijk}\geq 0} .
  • Eine nicht-assoziative n {\displaystyle n} -dimensionale R {\displaystyle \mathbb {R} } -Algebra A {\displaystyle A} ist genau dann eine Baric-Algebra, wenn es ein ( n 1 ) {\displaystyle (n-1)} -dimensionales Ideal N A {\displaystyle N\subset A} gibt, für das gilt: A 2 N {\displaystyle A^{\rm {2}}\nsubseteq N} .

Beispiele

  • R 3 {\displaystyle \mathbb {R} ^{3}} mit dem Vektorprodukt als Multiplikation bildet eine nicht-assoziative R {\displaystyle \mathbb {R} } -Algebra. Dies ist keine Baric-Algebra, denn es gibt darin kein Ideal der Dimension 2, das aber benötigt würde, damit der Quotient zu R {\displaystyle \mathbb {R} } isomorph wäre. Allgemeiner lässt sich zeigen, dass halbeinfache Lie-Algebren keine Baric-Algebren sind.
  • R 2 {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} mit zwei Basisvektoren e 1 , e 2 {\displaystyle e_{1},e_{2}} , auf denen eine Multiplikation folgendermaßen erklärt ist:
e 1 e 1 = e 2 , e 1 e 2 = e 1 , e 2 e 1 = e 2 , e 2 e 2 = e 1 {\displaystyle e_{1}\cdot e_{1}=e_{2},\;e_{1}\cdot e_{2}=e_{1},\;e_{2}\cdot e_{1}=e_{2},\;e_{2}\cdot e_{2}=e_{1}} .
Damit ist eine genetische Basis gegeben und eine Baric-Algebra definiert; die Multiplikation ist nicht assoziativ:
( e 1 e 2 ) e 2 e 1 ( e 2 e 2 ) {\displaystyle (e_{1}\cdot e_{2})\cdot e_{2}\neq e_{1}\cdot (e_{2}\cdot e_{2})} .
Eine nicht-triviale Gewichtsfunktion ist w ( α 1 e 1 + α 2 e 2 ) = α 1 + α 2 {\displaystyle w(\alpha _{1}e_{1}+\alpha _{2}e_{2})=\alpha _{1}+\alpha _{2}} .
  • Gametische Algebra G der einfachen mendelschen Vererbung:
R 2 {\displaystyle \mathbb {R} ^{2}} mit zwei Basisvektoren a 1 , a 2 {\displaystyle a_{1},a_{2}} und folgender Multiplikationstafel:
. a 1 {\displaystyle a_{1}} a 2 {\displaystyle a_{2}}
a 1 {\displaystyle a_{1}} a 1 {\displaystyle a_{1}} 1 2 a 1 + 1 2 a 2 {\displaystyle {1 \over 2}a_{1}+{1 \over 2}a_{2}}
a 2 {\displaystyle a_{2}} 1 2 a 1 + 1 2 a 2 {\displaystyle {1 \over 2}a_{1}+{1 \over 2}a_{2}} a 2 {\displaystyle a_{2}}
ist eine Baric-Algebra mit Gewichtsfunktion w ( α 1 a 1 + α 2 a 2 ) = α 1 + α 2 {\displaystyle w(\alpha _{1}a_{1}+\alpha _{2}a_{2})=\alpha _{1}+\alpha _{2}} .

Literatur

  • Rudolf Lidl, Johann Wiesenbauer: Ringtheorie und Anwendungen: Grundlagen und Anwendungsbeispiele in der Kodierungstheorie und in der Genetik. Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1980, ISBN 3-400-00371-9
  • Angelika Wörz-Busekros: Algebras in Genetics. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1980, ISBN 3-540-09978-6.
  • I.M.H. Etherington: Genetic Algebras. In: Proc. Roy. Soc. Edinburgh, 59, 1939, S. 242–258