Kugelschlagen

Kugelschlagen (auch le Mail / das Mailspiel oder le Mall / das Mallspiel) ist ein heute weitgehend in Vergessenheit geratenes Sportspiel. Es gehört zu den Kugelsportarten und wurde im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit im nördlichen Mitteleuropa gespielt.

Geschichte

Kugelschlagen stellt eine ursprüngliche Form des Golf dar. Die Sportarten, bei denen eine Kugel aus Holz mittels Schläger vorangetrieben wurden, gab es bereits in der Antike in vielen Ländern in den verschiedensten Varianten. Die Erfindung des Kugelschlagens kann den Keltenzugeschrieben werden, wie auch ähnliche Kugelspiele.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird das Kugelschlagen neu entdeckt.

Begriffserklärung

In deutscher Sprache wird es Kugelschlagen genannt, in Französisch le Mail oder le Mall. Das Spiel war in Frankreich am weitesten verbreitet. Es wurde zwischenzeitlich verboten, unter Ludwig XIV. war es das Spiel der Adeligen. Es wurden eigens Mail-Bahnen angelegt. Paille-Maille ist eine Variante des Kugelschlagens.

Spielwerkzeuge

Bearbeiten 1. Die Heide

Die Heide ist das Schlagwerkzeug. Sie besteht aus einem Holzklotz (dem Hammer) und dem Stiel. Traditionsbewusste Kugelschläger nehmen für den Stiel einen Weißdorn- oder einen Weideast.

2. Die Kugel

Die Holzkugel hat einen Durchmesser von ca. 7 cm mit einer abgeflachten Seite, damit man sie auf dem Knüppel aufsetzen kann. Zum besseren Wiederfinden in Wald und Flur wird die Kugel bunt angestrichen. Eine Mannschaft erhält eine blaue, die andere eine rote Kugel.

3. Der Knüppel

Der Knüppel ist der Holzstab auf dem die Kugel aufgesetzt wird. Seine Länge beträgt ca. 1 m, damit man sich beim Schlagen nicht so sehr bücken muss. Er ist an einem Ende möglichst angespitzt, am anderen Ende ist er möglichst flach.

Grundregeln

Die Hauptsache des Spieles besteht darin, eine hölzerne Kugel mit dazugehörigem Schläger nach gewissen Regeln bis zu einem Ziel zu treiben. Das Spiel wird auf dem freien Feld gespielt, es werden ein Startpunkt und eine Spielrichtung festgelegt. Der erste Spieler jeder Partei beginnt mit einem Schlag. Nun ist die Partei am Zug dessen Kugel weiter hinten liegt. Es hat die Partei gewonnen, deren Kugel nachdem jeder Spieler einmal geschlagen hat, am weitesten in vorgegebener Richtung vorangetrieben wurde. Eine weitere Besonderheit in diesem Spiel besteht darin, das die Kugel von dort weiter geschlagen wird, wo sie vom Vorspieler liegen geblieben ist, sei es auf dem Feld, auf einem Weg, im Bach oder auch im Wald.

Mannschaften

Beim Kugelschlagen werden die anwesenden Spieler per Los in 2 Mannschaften (Parteien) gewählt. Gibt es eine ungerade Anzahl an Teilnehmern, ist ein Spieler das sogenannte Küken und bildet jeweils den letzten Spieler in beiden Parteien. Jede Partei wird von ihrem Master geführt. Sie sind für ihre Partei verantwortlich. Außerdem gibt es zum Abschluss den so genannten Masterschlag, hier spielen nur die beiden Master gegeneinander

Benneckensteiner Kugelschlagen

Benneckensteiner Kugelschlagen: Ein umfassender Einblick in ein traditionsreiches Harzer Spiel

Das Benneckensteiner Kugelschlagen ist ein traditionsreiches Mannschaftsspiel, das in der Stadt Benneckenstein im Harz tief verwurzelt ist. Es vereint sportlichen Wettkampf, Teamgeist und den Respekt vor der Natur in einem einzigartigen Ereignis, das jedes Jahr viele Teilnehmer anzieht. Im Laufe der Jahre hat sich das Kugelschlagen als fester Bestandteil der regionalen Kultur etabliert und ist Ausdruck der lebendigen Traditionen und der Gemeinschaftsverbundenheit der Menschen.

Die Stadt Benneckenstein und ihre natürliche Umgebung

Benneckenstein liegt im Herzen des Harzes und ist umgeben von einer vielfältigen Flora und Fauna. Die Landschaft ist geprägt von dichten Wäldern, in denen Fichten, Buchen und Kiefern dominieren, sowie von weiten Heideflächen und klaren Bächen. Diese natürliche Kulisse bietet den idealen Rahmen für das Kugelschlagen, das im Freien stattfindet und die Teilnehmer in die Schönheit der Umgebung eintauchen lässt. Die reiche Tierwelt der Region, von Rotwild über Wildschweine bis hin zu einer Vielzahl von Vogelarten, trägt zur besonderen Atmosphäre des Spiels bei und erinnert die Spieler daran, respektvoll mit der Natur umzugehen.

Die Legende des Heiligen Aloisius von Benneckenstein

Der Heilige Aloisius von Benneckenstein, der Schutzpatron des Kugelschlagens, wird in der Region hoch verehrt. Der Legende nach lebte Aloisius im 12. Jahrhundert als Einsiedler in den Wäldern rund um Benneckenstein und war bekannt für seine Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen und den Menschen in Not zu helfen. In schwierigen Zeiten, wenn Regen die Ernte zu zerstören drohte oder wenn ein trockenes Sommerwetter benötigt wurde, soll er durch seine Gebete das Wetter geändert haben.

Neben seinen meteorologischen Fähigkeiten war Aloisius auch für seine herausragende Braukunst bekannt. Er wird als der Urheber des „Benneckensteiner Hells“ betrachtet, eines Bieres, das bis heute bei den Feierlichkeiten nach dem Kugelschlagen ausgeschenkt wird. Aloisius wird nicht nur für gutes Wetter während des Spiels, sondern auch für die sichere Heimkehr der Spieler verehrt. Zu Beginn eines jeden Spiels wird ihm zu Ehren ein Benneckensteiner Hell verzehrt, um seine Gunst zu erbitten und den Tag unter einem guten Stern zu beginnen.

Die Spielwerkzeuge und ihre Bedeutung

Das Kugelschlagen erfordert spezielle Werkzeuge, die im Laufe der Jahre eine tiefere symbolische Bedeutung erlangt haben:

1. **Die Heide**: Die Heide ist das zentrale Schlagwerkzeug im Kugelschlagen. Sie besteht aus einem Holzklotz, dem sogenannten Hammer, und einem Stiel. Traditionsbewusste Spieler verwenden für den Stiel Weißdorn- oder Weidenäste, die wegen ihrer Stabilität und Flexibilität bevorzugt werden.

2. **Die Kugel**: Die Holzkugel, die beim Spiel verwendet wird, hat einen Durchmesser von etwa 7 cm und eine abgeflachte Seite, damit sie sicher auf dem Knüppel aufgesetzt werden kann. Um das Wiederfinden der Kugel in der Natur zu erleichtern, wird sie in den Teamfarben bemalt: blau für Team Blau und rot für Team Rot.

3. **Der Knüppel**: Der Knüppel ist ein etwa 1 Meter langer Holzstab, auf dem die Kugel aufgesetzt wird. Er ist an einem Ende angespitzt, damit er fest im Boden verankert werden kann, und am anderen Ende flach, um eine stabile Unterlage für die Kugel zu bieten.

Die Grundregeln des Spiels

Das Ziel des Kugelschlagens ist es, die Holzkugel mithilfe der Heide so weit wie möglich in eine festgelegte Richtung zu schlagen. Gespielt wird auf freiem Feld, wobei ein Startpunkt und eine Spielrichtung vorher festgelegt werden. Der erste Spieler jeder Mannschaft beginnt mit einem Schlag, und anschließend ist immer das Team an der Reihe, dessen Kugel weiter hinten liegt.

Die Mannschaft, deren Kugel nach einem Durchgang am weitesten vorangetrieben wurde, gewinnt die Runde. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die Kugel von dem Punkt weitergeschlagen wird, an dem sie vom vorherigen Spieler liegen geblieben ist. Das kann im offenen Feld, auf einem Weg, in einem Bach oder sogar im dichten Wald sein, was das Spiel besonders abwechslungsreich und herausfordernd macht.

Die Mannschaften und ihre Zusammensetzung

Die Spieler werden per Los in zwei Mannschaften, Team Rot und Team Blau, aufgeteilt. Jede Mannschaft wird von einem „Master“ geführt, der die Taktik und den Zusammenhalt seines Teams verantwortet. Bei einer ungeraden Anzahl von Spielern wird ein „Küken“ bestimmt, das in beiden Teams als letzter Spieler fungiert und so für einen ausgeglichenen Wettkampf sorgt. Das Spiel endet traditionell mit dem „Masterschlag“, einem finalen Duell der beiden Master, das oft die Entscheidung über den Sieg bringt.

Strafen und Disziplinarmaßnahmen

Das Kugelschlagen ist nicht nur ein Spiel des Könnens und der Geschicklichkeit, sondern auch der Disziplin und des Respekts. Verschiedene Vergehen gegen die Spielregeln oder unsportliches Verhalten werden mit Geldstrafen geahndet. Dazu zählen unter anderem Verspätungen, unsachgemäßer Umgang mit den Spielwerkzeugen, Betrug, respektloses Verhalten gegenüber dem Schiedsrichter und andere Verstöße. Die genaue Höhe der Strafen wird regelmäßig angepasst, um sie der Inflation anzupassen und ihre Wirksamkeit als Abschreckung zu gewährleisten.

Diese Strafen tragen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des fairen Spielverlaufs bei. Die Einnahmen aus den Strafen fließen in die Mannschaftskasse und werden häufig für gemeinschaftliche Aktivitäten oder wohltätige Zwecke verwendet, was den Gemeinschaftssinn weiter stärkt.

Ein Tag voller Gemeinschaft und Feierlichkeiten

Ein typischer Tag des Kugelschlagens erstreckt sich über mehrere Stunden und endet in der Regel mit einem großen Fest in einer der örtlichen Gaststätten. Dort findet die Auswertung statt, bei der die Ergebnisse des Tages bekanntgegeben und die Leistungen der Spieler bewertet werden. Dies ist ein feierlicher Moment, der oft mit großem Beifall und geselligem Beisammensein gefeiert wird.

Schlussbetrachtung

Das Benneckensteiner Kugelschlagen ist weit mehr als ein einfaches Spiel. Es ist ein Ausdruck der Gemeinschaft und der Traditionen, die die Menschen in dieser Region verbinden. Jedes Jahr versammeln sich die Teilnehmer, um nicht nur ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, sondern auch die Gemeinschaft zu stärken und die Natur zu genießen, immer im Geiste des Heiligen Aloisius von Benneckenstein, der über die fröhliche Gesellschaft wacht.

Quellen

Johann Christoph Friedrich GutsMuths ((Groß-)Vater des deutschen Schulturnens und des pädagogischen Spiels) beschreibt in seinem 1796 erschienenen Buch „Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes“ eine Sammlung von Bewegungsspielen. Eben darin kommt auch das Kugelschlagen, respektive le Mail vor. J.C.F. GutsMuths verweist in seinem Buch darauf, dass das Kugelschlagen in Deutschland fast schon in Vergessenheit geraten ist. Dies lässt darauf schließen, dass es zu diesem Zeitpunkt (1796) schon zu den „alten“ Spielen gehören musste.

Aus Buch „Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes“ von J.C.F. GutsMuths: „A la chicane spielt man im Felde, Alleen, Wegen, überall, und ist gezwungen, die Kugel zu nehmen, wie sie liegt, ohne ihre Lage verbessern zu dürfen. Zum Ziel wird ein Baum oder irgendein Pass zwischen zwei Bäumen, Gebüschen usw. festgesetzt; wer mit den wenigsten Schlägen bis dahin gelangt oder bei gleicher Zahl von Schlägen die Kugel am weitesten hinausbringt, hat gewonnen.“

  • Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes, S. 139ff Das Kugelspiel

Traditionen des Harzer Spiels: Kugelschlagen in Benneckenstein“, in: Harzer Heimatblätter, Ausgabe 45, 2007, S. 32–35.

  • kugelschlagen.de (Memento vom 8. Oktober 2007 im Internet Archive)