Purépecha (Sprache)

Purépecha (Phorhépecha)

Gesprochen in

Mexiko
Sprecher ca. 142.000
Linguistische
Klassifikation
  • isolierte Sprache
    Purépecha
Offizieller Status
Amtssprache in Nationalsprache in Mexiko Mexiko
Sprachcodes
ISO 639-3
  • tsz (eigentliches Purépecha)
  • pua (westliches Hochland-Purépecha)
Verbreitung von Purépecha im mexikanischen Bundesstaat Michoacán

Purépecha (Phorhépecha, Pꞌurhépecha, auch Taraskisch) ist eine isolierte indigene Sprache Nordamerikas. Sie ist hauptsächlich im mexikanischen Bundesstaat Michoacán verbreitet und wird von etwa 142.000 Menschen gesprochen (2020: 142.459).[1] Die taraskische Sprache wird praktisch ausschließlich von Angehörigen des Volkes Purépecha (Tarasken) benutzt, das etwa 200.000 Mitglieder umfasst.

Die dialektalen Unterschiede sind relativ groß, insbesondere die Hochlanddialekte haben nur 70 % lexikalische Übereinstimmung mit dem Hauptdialekt.

Phonologie und Orthographie

Phonologie

Nach Auffassung der meisten Forscher hat Purépecha 22 Konsonantenphoneme.[2] Die französische Linguistin Claudine Chamoreau zählt l, das meistens in spanischen Lehnwörtern gebraucht wird, als weiteres Phonem und geht daher von insgesamt 23 Konsonanten aus.[3] Es besteht keine phonemische Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten. Stattdessen gibt es zu jedem stimmlosen Verschlusslaut einen aspirierten Verschlusslaut.[3]

Konsonantenphoneme
Bilabial Apiko-dental Alveolar Palatal Velar Labiovelar
Verschlusslaut p t ts k kw
Aspirierter Verschlusslaut ph th tsh h kh kwh
Frikativ s ʃ x
Nasal m n ŋ
Flap r
Retroflex ɽ
Lateral (l)
Halbvokal w j

Purépecha hat sechs Vokalphoneme. Neben den sprachübergreifend häufigen Vokalen /i/, /e/, /a/, /o/ und /u/ hat es auch einen geschlossenen Zentralvokal /ɨ/.[3]

Vokalphoneme
Vorderzungenvokal Zentralvokal Hinterzungenvokal
geschlossen i ɨ u
mittel e o
offen a

Wortstämme enden im Purépecha gewöhnlich auf einem Vokal. Die Betonung fällt meist auf den letzten Vokal des Stamms (z. B. kará 'schreiben').[3]

Orthographie

Es existiert keine allgemein anerkannte Orthographie. Mehrere verschiedene Bildungsinstitute (z. B. das Insituto Nacional de Lenguas Indígenas oder das Secretaría de Educación Pública) haben jeweils eigene Alphabete für die Sprache entwickelt, deren Gebrauch jedoch weitgehend auf die jeweiligen Alumni beschränkt ist. Teilweise entwickeln Sprecher darüber hinaus eigene Grapheme, um Besonderheiten der in ihrer Kommune gesprochenen Sprachvarietät darzustellen.[4] Wie bei anderen indigenen Sprachen in Mexiko basieren die Alphabete auf der (mittel)spanischen Orthographie. Das Phonem /ʃ/ wird darin durch das Graphem <x>, /x/ durch <j>, /j/ durch <y> und /tʃ/ durch <ch> wiedergegeben.[3][5] Unterschiede zwischen den Alphabeten bestehen häufig in der Darstellung von Phonemen wie dem velaren Nasal /ŋ/ (als <ŋ>, <n> oder <nh>), die im Spanischen keine eigenständigen Phoneme sind.[4]

Verben

Verbstruktur

Purépecha ist eine polysynthetische Sprache, in der zahlreiche Suffixe an das Verb angefügt werden können. Die Suffixe haben je nach ihrer Funktion eine festgelegte Position in Bezug auf die anderen Suffixe und den Verbstamm. Inklusive der Wurzel gibt es bis zu 13 verschiedene Positionen in einem Verb. Die folgende Tabelle stellt die Verbstruktur dar (die Beispiele stehen für sich allein und passen daher nicht notwendigerweise zueinander).[3][6]

Verbstruktur
0 +1 +2 +3 +4 +5 +6 +7 +8 +9 +10 +11 +12
Kategorie Wurzel Stammbildendes Suffix Lokativ Direktional Kausativ Diathese Desiderativ Adverbial 3. Person Plural Objekt Aspekt Tempus Irrealis Modus
Beispiel mi -ta -ru -pu -tara -na -ntʃa -khama -a -p -a -ti
Bedeutung / Funktion des Beispiels öffnen [verbabhängig] Straße zentripetal Kausativ Passiv wollen plötzlich sie Aorist Vergangenheit Irrealis Assertiv (3. Person Singular)

Diathesen

Im Purépecha gibt es zahlreiche Diathesen:

  • Das Passiv wird mit dem Suffix -na gebildet (z. B. misitu atha-na-na-ʃ-ti 'Die Katze wurde auf die Brust geschlagen.'). Das gleiche Suffix markiert auch ein unpersönliches Passiv.
  • Das Reflexiv und das Medium werden mit dem Suffix -kuri markiert (z. B. míkwa mí-kuri-ʃ-ti 'Die Tür schloss sich.').
  • Die reziproke Diathese wird mit dem Suffix -phera gebildet (z. B. xura-phera-ʃɨn-ti=kʃɨ 'Sie trennen sich voneinander.').
  • Das Antipassiv wird durch das Suffix -pe gekennzeichnet (z. B. meya-pe-ʃɨn-ka khurunta 'Ich bin ein Tamale-Verkäufer.')
  • Der Applikativ wird mit den Suffixen -tʃi (bei einem Objekt in der ersten/zweiten Person) und -ku (bei einem Objekt in der dritten Person) markiert (z. B. ʃɨpa-ku-a-ʃa-p-ka 'Du warst dabei, sie zu bestehlen.').
  • Das Kausativ wird mit den Suffixen -ta, -ra oder -tara gebildet (z. B. té-ra-ʃ-ti itsɨ-ni 'Er süßte das Wasser.').[3][6]

Tempus, Aspekt, Modus

Finite Verben werden obligatorisch hinsichtlich Modus flektiert. Es gibt fünf verschiedene Modi: Assertiv (in Aussagesätzen), Interrogativ (in Fragesätzen), Imperativ (in Aufforderungssätzen), Exklamativ (in Ausrufen) und Subjunktiv (in Nebensätzen).

Modussuffixe
Assertiv Interrogativ Imperativ Exklamativ Subjunktiv
-ka (1./2. Person) / -ti (3. Person) -ki / -i / -ø -ø (Singular) / -e (Plural) -kha -ka

Im Assertiv, Interrogativ und Subjunktiv können Verben zusätzlich entweder in Bezug auf Tempus und Aspekt oder in Bezug auf die Kategorie Irrealis markiert werden, während im Imperativ und Exklamativ keine Tempus-/Aspekt- oder Irrealissuffixe gebraucht werden können. Es gibt zwei Tempora (Vergangenheit und Gegenwart), vier Aspekte (Aorist, Habitual, Progressiv und Kontinuativ) und zwei Irrealis-Formen (Irrealis und Konditional). In Nebensätzen werden teilweise andere Tempus- und Aspektmorpheme gebraucht als in Hauptsätzen.[3]

Aspektsuffixe
Aorist Habitual Progressiv Kontinuativ
-ʃɨn -ʃa -ʃam
Tempussuffixe
Vergangenheit Gegenwart
-p / -an
Irrealissuffixe
Irrealis Konditional
-a -pirin

Person

Anders als in polysynthetischen Sprachen üblich gibt es im Purépecha nur eine eingeschränkte Personenmarkierung am Verb. Das Verb kann mit dem direkten Objekt in der dritten Person Plural kongruieren, indem das Suffix -a (in Position 8) verwendet wird. Allerdings ist diese Kongruenz auf die dritte Person Plural beschränkt und nicht obligatorisch. Ob das Suffix gebraucht wird, hängt von der Individuation des direkten Objekts ab: Wenn es sich um klar unterscheidbare Objekte handelt, wird -a gewöhnlich verwendet, andernfalls nicht.

Im assertiven Modus werden abhängig von der Person des Subjekts unterschiedliche Suffixe gebraucht: -ka bei einem Subjekt in der ersten oder zweiten Person und -ti bei einem Subjekt in der dritten Person. Davon abgesehen wird die Person des Subjekts jedoch meist nicht am Verb, sondern mit pronominalen Enklitika markiert. Diese Enklitika treten üblicherweise in der zweiten Position des Satzes auf (Wackernagelklitika) und werden nur sehr selten an das Verb angehängt. Daher markieren sie keine Kongruenz des Verbs mit den Subjekt.[3]

Einzelnachweise

  1. Lenguas indígenas en México y hablantes (de 3 años y más) al 2020. Quelle: mex. Statistikamt INEGI, abgerufen im April 2021 (spanisch).
  2. Kate Bellamy: On the external relations of Purepecha: An investigation into classification, contact and patterns of word formation. Leiden University, Leiden 2018, S. 19 (hal.science [PDF]). 
  3. a b c d e f g h i Claudine Chamoreau: Purepecha: An isolate non-Mesoamerican language in Mesoamerica. In: Sören Wichmann (Hrsg.): The Languages and Linguistics of Mexico and Northern Central America: A Comprehensive Guide. de Gruyter, Berlin 1. Dezember 2022 (englisch, Online [abgerufen am 3. September 2024]). 
  4. a b Cristina Monzón: Gramática para hablantes de la lengua purépecha: variación dialectal y estándar. In: Onomázein: Revista de lingüística, filología y traducción. Número especial 3, 2017, S. 97–114 (uc.cl). 
  5. Violeta Vázquez Rojas Maldonado: Estudios descriptivos del Purépecha. Estudio introductorio. In: Cuadernos de Lingüística de El Colegio de México. Band 1, 2013, S. 7–25 (colmex.mx). 
  6. a b Claudine Chamoreau: Purepecha, a Polysynthetic but Predominantly Dependent-Marking Language. In: Michael Fortescue, Marianne Mithun, Nicholas Evans (Hrsg.): The Oxford Handbook of Polysynthesis. Oxford University Press, Oxford 2017, S. 667–695 (hal.science [PDF]). 

Literatur

  • Mary LeCron Foster: The Tarascan language. University of California Press, Berkeley 1969.
  • Maxwell Lathrop: Purepecha Vocabulary
  • Online-Wörterbuch Spanisch-Purépecha